Neomyceten

Neomyceten sind Pilze, die in der Schweiz ursprünglich nicht einheimisch sind und aus anderen Teilen der Welt zu uns gelangt sind. Die allermeisten Neomyceten wurden vermutlich durch die Zunahme des weltweiten Handels unbeabsichtigt eingeschleppt und nur ein sehr geringer Teil dürfte durch die Klimaerwärmung natürlich eingewandert sein. Als Stichjahr, ab dem man bei eingeführten Pilzen von Neomyceten spricht, wurde wie bei anderen Organismen die Entdeckung Amerikas 1492 (symbolischer Beginn der Globalisierung) gewählt.

Die Mehrheit dieser Neulinge sind unscheinbare und meist harmlose Pflanzenschädlinge, doch einige wenige können katastrophale Auswirkungen für unsere Ökosysteme haben. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Eschentriebsterben, das durch den aus Asien eingeschleppten Pilz Hymenoscyphus fraxineus ausgelöst wird. Dieser 2008 in der Schweiz erstmals festgestellte und nun bereits flächendeckend vorkommende Winzling stellt für die Esche und all ihre assoziierten Organismen in unseren Wäldern eine ernsthafte Bedrohung dar. Weitere gefährliche eingeschleppte Pflanzenkrankheiten sind u.a. die Ulmenwelke und der Kastanienrindenkrebs. Bei der Kartoffelfäule, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Hungersnot ausgelöst hat und über einer Million Menschen in Europa das Leben kostete, handelt es sich ebenso um einen Neomyceten. Schliesslich gehört der sich im Wasser ausbreitende Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis), der als einer der Hauptauslöser für das weltweit beobachtete drastische Amphibiensterben gilt, ebenso dazu, wie der mit ihm verwandte Salamanderfresser (B. salamandrivorans), welcher Salamander und Molche krank macht und insbesondere beim Feuersalamander zu Massensterben führt.

Neben diesen erwähnten aggressiven Neomyceten müssen aber auch harmlose Schönheiten wie Tintenfischpilz oder Roter Gitterling Erwähnung finden.

Der Orangerote Porenhelmling wurde in manchen Regionen der Welt als invasiv eingestuft, stellt hierzulande jedoch derzeit keine Gefahr dar. Er ist ebenfalls für seine Schönheit bekannt. Seine giftigen Inhaltsstoffe könnten zudem eines Tages in der Medizin Verwendung finden.

Die Anzahl neu eingeschleppter Arten, die auch für den Speisepilzsammler von Bedeutung sind, ist gering. Mit dem Parfümierten Trichterling (Clitocybe amoenolens) ist aber auch ein gefährlicher Giftpilz aus dem Mittelmeergebiet in die Schweiz eingewandert.

Diese Internetseite gibt einen ersten Überblick über Neomyceten in der Schweiz. In den Unterrubriken finden sich eine Kurzfassung des WSL-Berichts «Neomyceten in der Schweiz», eine Erklärung wie man Neomyceten-Funde melden kann, diverse Artenmerkblätter und eine Linksammlung zu Neomyceten. Auf SwissFungi kann die aktuelle Verbreitung der gewünschten Art eingesehen werden.

Bildgalerie

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Beim Tintenfischpilz (Clathrus archeri) könnte man unschwer an ein Wesen aus einer fremden Welt denken. Von so weit her scheint dieser Pilz dann aber doch nicht zu kommen. Mykologen vermuten, dass er 1913 mit Wolllieferungen aus Australien nach Europa eingeschleppt wurde. Der Tintenfischpilz produziert einen von Weitem riechbaren aasähnlichen Gestank. Dieser lockt Fliegen an, die dann für die weitere Verbreitung der Sporen sorgen sollen. Bild: Markus Wilhelm
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Der aus dem Mittelmeergebiet stammende Rote Gitterling (Clathrus ruber) steht dem Tintenfischpilz in Sachen Kuriosität in nichts nach. Im Gegensatz zu diesem findet man den Gitterling aber hauptsächlich in Gärten, während der Tintenfischpilz auch in natürlichen Lebensräumen angetroffen wird. Bild: Max Danz
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Beim Parfümierten Trichterling (Clitocybe amoenolens) handelt es sich um eine mediterran verbreitete Pilzart, die mit dem Klimawandel natürlicherweise in die Schweiz eingewandert ist. Dieser gefährliche Giftpilz ähnelt stark gewissen heimischen Speisepilzarten, die als Konsequenz von der VAPKO-Speisepilzliste gestrichen worden sind. Bild: Francis Meigniez
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Der Goldrutenrost (Coleosporium solidaginis) gehört zu den ebenfalls parasitischen Rostpilzen. Er wurde zusammen mit der Spätblühenden Goldrute (Solidago gigantea) aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt. Besonders im Tessin scheint dieser Pilz schon recht verbreitet zu sein. Bemerkenswerterweise hat es der Goldrutenrost geschafft, auf die heimische Europäische Goldrute (Solidago virgaurea) überzuspringen und auch diese zu befallen. Bild: Ludwig Beenken
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Die häufigste Pilzgruppe unter den Neomyceten sind die parasitisch lebenden Echten Mehltaue, wozu auch dieser «Holunder-Mehltau» (Erysiphe vanbruntiana var. sambuci-racemosae) zählt. Diese Art ist im Gegensatz zu den meisten Neomyceten auch in natürlichen Habitaten bereits häufig anzutreffen und steigt in den Alpen bis auf fast 2000 m.ü.M. Befallen wird besonders der Trauben-Holunder (Sambucus racemosa), der durch den Pilz einen auffallenden weisslichen Belag erhält. Bild: Ludwig Beenken
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Der besonders attraktive kleine Holzpilz (Favolaschia calocera) stammt ursprünglich aus den Tropen und gilt heutzutage in vielen Regionen der Welt als potenziell invasiver Neomycet. Er ist vermutlich mit Holzexporten aus Neuseeland nach Genua in Italien gelangt und anschliessend natürlicherweise bis ins Tessin gewandert, wo er 2015 erstmals gefunden wurde. Bild: Katia Balmelli
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Der Leuchtende Weichporling (Pycnoporellus fulgens) findet sich hauptsächlich an Totholz, das bereits vorgängig vom Rotrandigen Baumschwamm besiedelt wurde. Da die ersten bestätigten Fundmeldungen dieses auffälligen Pilzes erst aus den 1970er-Jahren datieren, dürfte es sich auch hier um einen Neomyceten handeln. Einschleppungsweg und Herkunft dieses Holzpilzes verbleiben bis auf Weiteres im Dunkeln. Interessanterweise gilt die in Skandinavien heimische Art dort als Naturwaldzeiger und steht auf der Roten Liste mehrerer nordischer Länder. Bild: Kurt Bisang
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Der Elfenbeinröhrling (Suillus placidus) bildet eine Wurzelsymbiose (Mykorrhiza) mit mehreren fünfnadeligen Kiefernarten und wurde wohl mit diesen zusammen in die Schweiz eingeschleppt. Man findet ihn besonders in Pärken, wo auch die Wirtsbäume (besonders Weymouth-Kiefer) gepflanzt wurden. Da er ebenso mit der heimischen Arve mykorrhizieren kann, kommt er besonders im Graubünden auch in natürlichen Waldgesellschaften vor. Der Elfenbeinröhrling zählt zu den wenigen eingeführten Speisepilzearten. Bild: Max Danz

Publikationen

Links zu Neomyceten

  • waldwissen.net ist eine Informations- und Kommunikationsplattform von forstlichen Fachleuten zu Wald, Mensch und Forstwirtschaft und ein Gemeinschaftsprodukt von vier Forschungsinstitutionen aus Deutschland sowie der Schweiz. Regelmässig werden auf der Webseite Artikel zu diversen Waldthemen veröffentlicht, so u.a. auch zu Neomyceten.
  • Waldschutz Schweiz (WSS) ist die Fachstelle der WSL für Waldschutzfragen betreffend Waldschädlingen und -krankheiten in der Schweiz. Sie unterhält auch ein Online-Diagnosetool zu Baumkrankheiten und hat mehrere Factsheets zu Neomyceten veröffentlicht.
  • CABI (Centre for Agriculture and Biosciences International) ist eine gemeinnützige, international agierende Organisation. Sie trägt durch die Weitergabe (Hilfe zur Selbsthilfe) und Anwendung von Fachwissen viel zur Problemlösung in Umwelt- und Landwirtschaftsbereichen in Entwicklungsländer bei. Hier hat CABI allerlei Informationen über Neobiota zusammengestellt.
  • Bei der EPPO (European and Mediterranean Plant Protection Organization) handelt es sich um eine internationale Organisation zur Zusammenarbeit der europäischen Länder innerhalb des Pflanzenschutzes. Sie entwickelt Strategien, um die Einschleppung von Pflanzenkrankheiten zu unterbinden und erstellt Methoden für den Umgang mit ihnen. Die EPPO untersteht dem internationalen Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC).