Während gebietsfremde Pflanzen (Neophyten) und Tiere (Neozoen) gut untersucht sind, wusste man lange Zeit nur sehr wenig über die Situation der Neomyceten der Schweiz, obwohl von gewissen Arten eine grosse Gefahr ausgehen kann (z.B. Eschentriebsterben). Im Jahr 2021 erschien ein Merkblatt für die Praxis der WSL über Eingeschleppte Pilze in der Schweiz. Dieses stützt sich zum Teil auf einen im Auftrag des Bundesamtes für Umwel (BAFU) erstellten Bericht der WSL aus dem Jahr 2016 zum aktuellen Kenntnisstand über die Neomyceten in der Schweiz.
Im Bericht werden ingesamt 283 bekannte Neomyceten für die Schweiz aufgelistet, die durch Literaturrecherche, Auswertung von Pilzherbarien, gezielten Feldbegehungen und genetischen Untersuchungen zusammengestellt wurden. Darunter befinden sich 13 Neufunde für die Schweiz wie bspw. der Rostpilz Coleosporium asterum (Synonym C. solidaginis) auf Goldruten-Arten.
Etwa 51 % aller registrierten Neomyceten gehören zur Gruppe der Schlauchpilze, 36 % zu den Ständerpilzen und der Rest zu den Eipilzen (13 %) und Flagellatenpilzen (<1 %). Darunter stellen die Echten Mehltaue (21 %) die grösste Gruppe dar, gefolgt von den Lamellenpilzen (12 %), den Rostpilzen und Falschen Mehltauen (beide je 11.7 %) und den Brandpilzen (6 %). Bei der Lebensweise der Neomyceten handelt es sich bei bei 77 % aller Arten um Parasiten (z.B. Echte Mehltaue und Rostpilze), bei 19 % um Saprophyten und bei 4 % um Symbionten. Rund 75 % der Parasiten finden sich nur auf eingeführten Zier- und Nutzpflanzen. Die meisten Funde von Neomyceten stammen aus dem Mittelland und dem Tessin von unter 600 m.ü.M.
Die Neomyceten mit genügender Datengrundlage wurden betreffend ihres Schadpotenzials für die Umwelt in vier Kategorien eingeteilt. Als ephemer («vorübergehend auftretende» Arten mit sehr wenigen Funden und ohne grosses Ausbreitungspotenzial) wurden 26 % aller Arten eingestuft, während 63 % als etabliert gelten können (Arten, die regelmässig gefunden werden, aber kein grosses Schadpotenzial aufweisen). 5 % der Neomyceten kommen erst seit Kurzem in der Schweiz vor und weisen das Potenzial auf, sich schnell ausbreiten zu können. Als invasive Neomyceten (mit grossem Schadpotenzial) wurden 6 % aller Arten eingestuft. Über viele Neomyceten wissen wir noch sehr wenig und es besteht grosser Forschungsbedarf, um mehr über ihr Schadpotenzial zu erfahren und sie rechtzeitig an einer Ausbreitung hindern zu können.